Wenn wir nicht ins Theater gehen können, dann muss das Theater doch zu uns kommen!

Die „Neue Werkbühne München“ führte Lessings „Nathan der Weise“ und Schillers „Maria Stuart“ am 16. und am 17. Februar am Leibniz auf.

Lessing, Nathan der Weise

Lessings wohl bekanntestes Drama, das aus gutem Grund das erste war, das nach dem Ende des II. Weltkrieges wieder auf einer deutschen Bühne aufgeführt wurde, hat den Neunt- und Zehntklässlern am Leibniz-Gymnasium die großen Themen des Menschseins wie Gemeinschaftssinn und Klugheit,  Religiosität und Toleranz, Recht und Gnade vor Augen geführt und zum Nachdenken darüber angeregt, wie Hass, Egoismus, Rassismus und Antisemitismus das Humanitäts-Ideal ad absurdum führen. Ein äußerst engagiertes Schauspielerteam hat es dabei immer wieder geschafft, die Brücke zur Gegenwart zu schlagen. So zeigte die Bühnenkulisse Ansichten der Stadt Jerusalem, größtenteils in Schwarz-Weiß-Tönen, welche die „alten Zeiten“ symbolisieren sollten. Zugleich waren einzelne Elemente in Farbe hervorgehoben und eine Mauer war sogar mit einem dicken in Rot hinzugemalten Stacheldraht versehen, um zu demonstrieren, dass der Handlungsort des Dramas, Jerusalem, noch immer ein Ort ist, in dem Fanatismus und Gewalt zu permanenten Auseinandersetzungen und Ungerechtigkeiten führen. Um die alte Geschichte des „Nathan“ und ihre für eine junge Zuhörerschaft recht schwierige Sprache verständlicher zu machen, waren immer wieder Kommentare eingefügt, in denen die Schauspieler aus ihren Rollen traten und das Bühnengeschehen erklärten. So wurden Hintergründe zu rassistischer Gewalt, zu den Glaubenskriegen und zur Entstehung des Judenhasses geschickt in die Handlung eingebaut. Am Höhepunkt des Geschehens wurde die berühmte Ringparabel eindrucksvoll in Szene gesetzt, in der die Frage nach der wahren Religion von Nathan dahingehend beantwortet wird, dass naturgemäß jedem Menschen diejenige Religion am nächsten stehe, in die „der Zufall der Geburt/ Ihn hingeworfen“ habe. So wie der Vater einem jeden seiner Söhne einen gleichwertigen Ring überreichen wollte, so seien die Religionen von gleichem Grundwert. Diesen Wert gelte es tagtäglich, mit einer „unbestochnen/ Von Vorurteilen freien Liebe“, „mit Sanftmut,/ Mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun,/ mit innigster Ergebenheit in Gott“ zu behaupten und unter Beweis zu stellen. Ein Beispiel hierfür bietet der Jude Nathan, der das Ideal des guten Menschen wie kein anderer in diesem Theaterstück verkörpert, wurde doch seine eigene Familie von Christen ermordet, was ihn nicht davon abhielt, das Christenmädchen Recha an Kindes statt aufzunehmen und zu einem freien Menschen fernab von Glaubensdoktrin zu erziehen. Alle Religionen, Judentum, Christentum und Islam als Kinder ein- und desselben Gottvaters – dieser Grundgedanke zeigt sich auch in der etwas komplizierten „Schluss-Verbrüderung“, in der sich diese Verwandtschaftsverbindungen ganz real zwischen dem christlichen Tempelherrn, seiner Schwester Recha und dem muslimischen Sultan zeigen. Den Schauspielerinnen und Schauspielern der Werkbühne München ist es eindrucksvoll gelungen, eine „alte“ Geschichte mit zeitgenössischen Werten zu verknüpfen und diese Werte mit einem eindrücklichen Appell für Freiheit, Menschlichkeit, Toleranz und Inklusivität bei allen Zuschauerinnen und Zuschauern zu verinnerlichen.

Hier ein paar Stimmen zur Aufführung:

„Ich fand, das Stück war gut gespielt und die Charaktere waren auch gut und ausdrucksstark dargestellt. Was ich aber verwirrend und ein wenig unpassend gemacht fand, war der Versuch, das Ganze moderner zu machen, beispielsweise mit dem Ed Sheeran-Lied, während trotzdem weiter in „Altdeutsch“ geredet wurde und klar war, dass es vor Jahrhunderten geschrieben wurde (auch wenn die Message heute natürlich auch sehr bedeutend und aktuell wichtig ist).“

 

„Ich finde, die Charaktere wurden gut getroffen und die Erklärungen zwischendurch haben gut geholfen das Stück zu verstehen.“

 

„Ich fand die Unterbrechungen, in welchen man ein paar geschichtliche Hintergrundinformationen bekommen hat, sehr interessant, jedoch war das Ende unverständlich.“

 

„Mir hat der Bühnenhintergrund sehr gut gefallen, weil die Thematik mit den drei Religionen in Jerusalem ja auch heute noch eine Rolle spielt.“

 

„Ich fand persönlich das Stück unterhaltend und gut gespielt. Es hat mich nur etwas überrascht, wie das Stück so abrupt geendet hat, aber ich kenne natürlich das schriftliche Ende des Dramas nicht.“

 

„Ich fand das Stück sehr gut, vor allem die Erklärungen zwischendurch. Auch die Schauspieler haben laut und verständlich gesprochen. Den Hintergrund fand ich etwas unpassend“

 

„Im Großen und Ganzen mochte ich das Stück, auch wenn es teilweise etwas ´cringey´ war.“

 

Katja Kammerer

 

Schiller, Maria Stuart

Zwei rivalisierende Frauen: die eine noch jung, schön, sinnlich, von großer erotischer Anziehungskraft; die andere älter, die besten Jahre schon hinter sich, vernünftig, planvoll und erfolgreich. Die eine katholisch, die andere evangelisch (anglikanisch). Aber eine Gemeinsamkeit gibt es: Machtbewusstsein, Streben nach Dominanz. Der Konflikt ist vorprogrammiert. Ein Zickenkrieg? Eher eine Auseinandersetzung auf Leben und Tod!

Nein, wir befinden uns nicht im 21. Jahrhundert, sondern im 16. Jahrhundert, und zwar in England. Die beiden Damen sind Maria Stuart, Königin von Schottland, und Königin Elisabeth I., Tochter von Heinrich XIII. und von Anne Boleyn, die der eigene Ehemann auf das Schafott brachte. Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch niemand, dass aus der kleinen Elisabeth eine Königin wird, die ein ganzes Zeitalter prägen wird.

Die Zeiten sind chaotisch und unruhig, Machtinteressen, blutige Auseinandersetzungen, im Namen der Konfessionen geführt, prägen die politische Stimmung. Maria, einst blutjung vermählt mit dem französischen Thronfolger, wird bald nach der Eheschließung Witwe, kehrt zurück nach Schottland und lässt sich mit den falschen Männern ein. Männer, die sie beherrschen wollen, sie demütigen…, schließlich entledigt sie sich ihres letzten Ehemannes durch Auftragsmord. Sie flieht nach England zu ihrer Cousine Elisabeth, bittet um Asyl und lebt nach einigen Zwischenstationen von nun an isoliert und gut bewacht in Schloss Fortheringhay, weit weg vom höfischen Treiben. Ihre Schönheit stachelt immer wieder Männer an, sich gegen Elisabeth zu verschwören und auch vor Attentaten nicht zurückschrecken, um Maria zu befreien und ihr den Weg zum Thron zu ebnen.

Eine ungute Voraussetzung, die beiden Damen miteinander zu versöhnen…

Aber auch Elisabeth hat ihre Ängste: Die Ehe Heinrichs VIII. mit Anne ist von der katholischen Kirche nicht anerkannt, sie ist also ein illegitimes Kind, ohne Anspruch auf den englischen Thron, den ihr Maria streitig macht. Elisabeth ist in den Augen ihrer Feinde ein Bastard. Das sind genügend Gründe für Elisabeth, um die Kontrahentin loswerden zu wollen.

Hier setzt nun Schillers Drama „Maria Stuart“ ein, das die „Neue Werkbühne München“ adaptiert und bearbeitet und vor unseren Schüler/innen der Oberstufe aufgeführt hat. Die Bearbeitung fokussiert das Schicksal und die Lebenseinstellung der beiden Frauen. Szenen werden ausgespart, für den Verlauf der Handlung werden bedeutende Situationen punktuell hervorgehoben:  Marias Wille zur Macht wie auch ihr Wandel, der sie schließlich das Todesurteil annehmen lässt. Und Elisabeths Unsicherheit, ihre Zweifel und letztendlich auch ihre Staatsräson und Loyalität, England dienen zu wollen, die sie das Todesurteil unterschreiben lassen. Die Verantwortung für die Ausführung desselben gibt sie jedoch ab…

Die männlichen Dramenfiguren kommen schlecht weg: Einmal der windige Leicester, stets auf seinen eigenen Vorteil bedacht, dann der romantisch anmutende Mortimer, der Maria begehrt und sie doch nur besitzen will und Lord Burleigh, dem jedes Mittel recht ist, die Einheit Englands zu erhalten und zu manifestieren.

Die „Neue Werkbühne München“ behält die Sprache Schillers bei, setzt aber besondere Akzente, wenn beispielsweise an besonderen Stellen des Dramas die englische Nationalhymne „God save the Queen“, gesungen von den „Sex Pistols“ (Godfathers des Punk, Ende der 70er Jahre) erklingt, die in dieser Version die Brüchigkeit und Labilität des Systems und der Macht Elisabeths hervorhebt. Die Kostüme, besonders die der Frauenfiguren, entstammen der Gegenwart: Elisabeth trägt einen weißen Hosenanzug, Managerin ihres Reiches, aber auch entfraulicht, neutral und rein, persönliche Bedürfnisse werden zurückgestellt. Mortimer wird von einer Schauspielerin dargestellt. Das Bühnenbild erzählt die Vorgeschichte, indem Bildnisse der Figuren präsentiert werden, die in irgendeiner Weise auf die Handlung – wenn auch indirekt – Einfluss nehmen,  z. B. erhebt sich im Hintergrund Heinrich VIII. machtvoll und selbstbewusst.

Aber lassen wir unsere Schüler/innen (Q 11) sprechen, die uns ihre Impressionen mitteilen:

„Ich persönlich fand das Stück recht interessant, es war auch gut aufgeführt und die Schauspieler haben es auch gut umgesetzt. Ich persönlich würde mir das Stück so wahrscheinlich nicht anschauen, da es nicht allzu sehr meinen persönlichen Interessen entspricht, aber dennoch fand ich es alles in allem nicht schlecht.“

„Es war ein gutes Theaterstück. Die Schauspieler waren gut in ihren Rollen und man konnte richtig mitfühlen. Das Ende kam mir ein bisschen zu abrupt und auch, dass teilweise Musik lief, während noch gesprochen wurde, war störend.“

„Das Theaterstück „Maria Stuart“ hat mir sehr gut gefallen, vor allem auch, weil die Handlung so klar dargestellt wurde. … Auch wenn man an unserer Schule nicht unbedingt die Möglichkeit hat, das Bühnenbild zu verändern, war das in der Vorstellung kein Problem, den Ort zu wechseln (durch die verschiedenen Lichtfarben), was mir wirklich gut gefallen hat. Insgesamt war ich sehr positiv überrascht, wie anders ein Stück/Drama wird, wenn man es aufführt. Danke.“

„… Obwohl ich nicht zur Fan-Gemeinschaft Theater gehöre, hat mich das Theaterstück umgerissen … Sehr tolle und großartige Schauspieler die Oscar-reif sind, haben meinen Nachmittag gerettet. Danke schön!!! Für die Zukunft würde ich mich über ein weiteres Theaterstück freuen…“

„Die Schauspieler haben alle Emotionen und Dialoge gut rübergebracht, insgesamt ein sehr schönes Erlebnis.“

„Die Anwendung von Rocksongs war auch eine interessante stilistische Entscheidung, die im Kontext des Stückes aber nachvollziehbar war.“

„Gut gestaltete Kulisse; gute Schauspielkünste, interessante, vielleicht unpassende Musikwahl (Beatles); gute optische Darstellung der Figuren; etwas abruptes Ende.“

 

Sabine Stamminger

Nathan der Weise

Maria Stuart und Elisabeth

Maria Stuart und Elisabeth