”Ladies and gentlemen! Let me take you back fifteen hundred years, to the court of England’s greatest king. Yes, let me take you back to the court of – King Arthur!” So wurden 280 Sechst- und SiebtklässlerInnen am 10.5.2023 von dem schottischen Schauspieler Matthew McCallion in der Leibniz-Halle begrüßt und schon durften, begleitet von mittelalterlicher Musik, die SchülerInnen für 60 Minuten in eine lang zurückliegende Zeit eintauchen.
Nach drei Jahren coronabedingter Zwangspause gastierte das White Horse Theatre in diesem Schuljahr wieder am Leibniz-Gymnasium. Mit “The Green Knight“ hat Peter Griffith, Gründer und künstlerischer Leiter dieses Tourneetheaters, ein Stück verfasst, das auf der mittelenglischen Ritterromanze “Sir Gawain and the Green Knight“ basiert.
Als König Artus mit den beiden Rittern Sir Lancelot und Sir Gawain das Neujahrsfest feiert, taucht plötzlich ein grüner Ritter mit einer großen Axt auf und fordert die Anwesenden dazu auf, ihm mit selbiger den Kopf abzuhacken. Im Gegenzug möchte er demjenigen, der ihm den Kopf abhackt, ein Jahr später ebenfalls den Kopf abhacken. Zunächst möchte keiner der beiden Ritter diese seltsame Herausforderung annehmen, doch als der alte König Artus, der für Spiele jeder Art zu haben ist, selbst zur Axt greifen will, opfert sich Sir Gawain und enthauptet den grünen Ritter, um den Ruf von Artus‘ Rittern zu verteidigen, denen man Tapferkeit und Ehre nachsagt. Zum Erstaunen aller nimmt der grüne Ritter seinen abgeschlagenen Kopf vom Boden auf und teilt Sir Gawain mit, dass er ihn in einem Jahr in der grünen Kapelle treffen solle, wo es an ihm sein werde, Sir Gawain mit der Axt zu schlagen.
Letzterer macht sich umgehend auf die Suche nach besagter “green chapel“. Nach fast einem Jahr erreicht er das Schloss von Lord Bertilak und dessen Frau, Morgan-le-Fay. Lord Bertilak lädt Sir Gawain für drei Tage in sein Schloss ein und schlägt ihm folgendes Spiel vor: Sie sollen jeden Tag jagen gehen und abends ihre Beute tauschen. Doch am ersten Tag ist Sir Gawain zu müde für die Jagd und entscheidet sich dafür, im Schloss zu bleiben, wo Morgan-le-Fay ihr Möglichstes gibt, um ihn zu verführen. Sir Gawain bleibt jedoch standhaft und widersetzt sich all ihren Annäherungsversuchen. Doch sie lässt erst dann von ihm ab, als er verspricht, sie auf die Wange zu küssen. Am Abend tauscht Sir Gawain mit schlechtem Gewissen seinen Kuss gegen Lord Bertilaks Jagdbeute ein. Dasselbe Spiel wiederholt sich am zweiten Tag. Auch am dritten Tag entscheidet sich Sir Gawain gegen die Jagd und Morgan-le-Fay versucht abermals ihn zu verführen. Neben zwei Küssen auf die Wange schenkt sie ihm einen Zaubergürtel, der jeden, der ihn trägt, unverletzlich und unsterblich macht. Da für Sir Gawain das Treffen mit dem grünen Ritter unmittelbar bevorsteht und ihm dieser Zaubergürtel unerlässlich erscheint, um diese Begegnung zu überleben, bricht er sein Versprechen. Er verschweigt Sir Bertilak den Zaubergürtel und tauscht am Abend lediglich die beiden Küsse gegen die Jagdbeute.
Als Sir Gawain mit seinem Zaubergürtel dem grünen Ritter in der Kapelle gegenübersteht, scheint dieser seine magischen Kräfte zu entfalten. Denn nach dem ersten Ausholen mit der Axt, schlägt der grüne Ritter zunächst daneben, da Sir Gawain wegzuckt. Beim zweiten Mal hält er mitten in der Bewegung inne und erklärt Sir Gawain, dass dies nur ein Test sei. Und auch beim dritten Mal bricht er ab, zieht seine grüne Ritterkleidung aus und gibt sich als Lord Bertilak zu erkennen. Sir Gawain erfährt, dass alles nur ein Test war, um herauszufinden wie tapfer und ehrlich die Ritter von König Artus wirklich sind. Doch während Lord Bertilak und Morgan-le-Fay ganz beeindruckt von Sir Gawains Rittertugenden sind, da dieser mit Ausnahme des verheimlichten Zaubergürtels alle Teile des Tests mit Bravour bestanden hat, ist Sir Gawain zutiefst von sich selbst entsetzt, da er durch sein Verschweigen des Gürtels sein Versprechen gebrochen hat, was ihm als Ritter nie hätte passieren dürfen. Als jedoch alle, sogar König Artus, ihm zu seiner Tapferkeit, Ehrbarkeit und Ehrlichkeit gratulieren, schafft Sir Gawain es zu akzeptieren, dass niemand perfekt ist und dass das auch von niemandem erwartet wird. Und so hat die mittelalterliche Legende auch für die heutige Generation noch eine gewisse Relevanz, denn damals wie heute kann das Streben nach Perfektion zum Scheitern an den eigenen Ansprüchen führen und Selbstzweifel oder gar persönliche Krisen auslösen.
So ist es besser, gelassen zu bleiben und sich damit zufrieden zu geben, nur fast perfekt zu sein. Denn wie wir alle wissen: Nobody is perfect.
Tanja Walter
Fotos: Tanja Walter