Wenn das Klima kippt: Vortrag am Leibniz-Gymnasium Altdorf
Die gute Nachricht lautet: Altdorf ist sicher. Selbst wenn das Eis Grönlands und der Antarktis abschmilzt, wird der Meeresspiegel nicht hoch genug steigen, um das Leibniz-Gymnasium unter Wasser zu setzen. Für viele Küstenregionen und Inselstaaten sieht das anders aus: Alleine das Grönländische Inlandeis, das eine Fläche von fünfmal der Größe Deutschlands bedeckt, würde einen Meeresspiegelanstieg von ca. 7m verursachen. Und das reicht, um etliche besiedelte Gebiete unbewohnbar zu machen.
Wie es dazu kommen könnte und warum das Schmelzen der großen Eisschilde nur sehr schwer rückgängig gemacht werden kann, das erläuterte der Erlanger Glaziologe und Klimawissenschaftler Dr. Johannes Fürst am 16.2.2023 in einem Vortrag am Leibniz-Gymnasium Altdorf. Schülerinnen und Schüler der 10.-12. Klassen verfolgten gespannt, was genau geschieht, wenn die globale Temperatur steigt: Das Grönländische Inlandeis, das bisher in einem Gleichgewicht aus Schmelzen und Neubildung war, schmilzt stärker. Dadurch verringert sich die Höhe des Eisschildes, das ein Erbe aus der letzten Eiszeit ist. Und auf dieser niedrigeren Höhe fällt Regen statt Schnee, sodass kein neues Eis entstehen kann. Immer weniger Eis bildet sich so neu, während das Abschmelzen weiter zunimmt. Und selbst wenn es gelingt, die Erderwärmung zurückzudrehen, kann das Eisschild nicht mehr neu entstehen, weil die Voraussetzungen dafür nicht mehr gegeben sind.
Genau das ist gemeint, wenn von „Kipppunkten“ im Klimawandel die Rede ist: Ein Prozess verstärkt sich so lange selbst, bis er nahezu unumkehrbar wird. Das System kippt. Und das kann in Grönland genauso geschehen wie in der Westantarktis oder im tropischen Regenwald. Deshalb ist auch die Zielmarke 1,5° so wichtig, erläutert Dr. Fürst: Bei einer Erwärmung darunter ist es relativ sicher, dass die Kipppunkte der am meisten gefährdeten Systeme nicht erreicht werden. Jedes Zehntelgrad mehr macht es dagegen wahrscheinlicher, dass der Klimawandel unumkehrbare Folgen hat. Doch bereits heute sind die Temperaturen so hoch wie nie zuvor, seit Menschen auf der Erde leben. Bis zum Überschreiten des 1,5°-Ziels fehlt nicht mehr viel.
Am Ende des spannenden und erkenntnisreichen Vortrags stellen die Schülerinnen und Schüler zahlreiche Fragen. Dabei geht es vor allem um den Klimawandel, aber auch um das Leben und Arbeiten als Klimaforscher. Und Johannes Fürst gibt bereitwillig Auskunft über Zeltnächte auf dem Gletscher, aber auch über lange Tage am Computer, wo er im Rahmen eines großen Forschungsprojektes mit innovativen Verfahren herausfindet, wie dick Gletscher sind und wie es unter ihnen aussieht.
Als Fazit steht am Ende die Erkenntnis: Die meisten Prozesse, auch das Schmelzen des Grönländischen Inlandeises, laufen sehr langsam ab. Wenn es gelingt, den Temperaturanstieg zu bremsen, dann wird es auch in zehntausend Jahren noch Eis auf Grönland und in der Antarktis geben. Bis dahin sind aber erhebliche Anstrengungen nötig – und auch gute Forscherinnen und Forscher werden gebraucht. Vielleicht kommen die ja künftig auch aus Altdorf.
Bildunterschrift: Dr. Johannes Fürst mit dem 3D-Modell eines isländischen Gletschers