Leer waren die Stühle nicht als am 4. März 2020 das White Horse Theatre nach einem Jahr umbaubedingter Theaterpause wieder am Leibniz-Gymnasium gastierte. Ganz im Gegenteil – gespannt warteten 245 Fünft- und Sechstklässler darauf, zum ersten Mal ein Theaterstück in englischer Sprache zu sehen, das noch dazu von „echten“ Engländern aufgeführt wurde. Dieses Mal brachte der künstlerische Leiter des englischsprachigen Tourneetheaters, Peter Griffith, mit dem von ihm selbst geschriebenen Drama The Empty Chair ein Stück auf die Bühne, das ein für viele Kinder wichtiges Thema anspricht: Wie kommt man als Kind mit einer neuen Familiensituation und einem möglichen neuen Vater zurecht?
Diese Frage stellt sich auch für Robbie, die mit ihrer Mutter zusammenlebt und tagtäglich darauf hofft, dass ihr Vater wieder zu ihnen zurückkehrt. Seit er die Familie verlassen hat ist sein Stuhl leer und der Alltag von Robbie und ihrer Mutter ist geprägt von finanziellen Sorgen, Hektik und Stress, da Robbies Mutter Vollzeit arbeiten, den Haushalt führen und sich um Robbie kümmern muss – keine leichte Aufgabe, obwohl Robbie ihr Möglichstes tut, um ihre Mutter zu unterstützen und für ihr Alter schon sehr erwachsen wirkt.
Eines Nachts beobachtet Robbie, wie ein Raumschiff in ihrem Garten landet. Ihre Mutter glaubt ihr das zwar nicht, dennoch müssen beide am nächsten Tag feststellen, dass sämtlich Rosen im Garten kaputt sind. Als kurz darauf ein äußerst merkwürdig aussehender Mann an der Haustür klingelt, steht für Robbie fest: das kann nur ein Außerirdischer von einem weit entfernten Planeten sein. Zu allem Unglück verliebt sich Robbies Mutter in diesen fremden Mann namens Jared und auch Jared scheint von Robbies Mutter äußerst angetan zu sein. Robbie versucht mit allen Mitteln zu verhindern, dass sich Jared bei ihnen zu Hause wohl fühlen kann. So verteidigt sie nicht nur vehement den Stuhl ihres Vaters, auf dem niemand und schon gar nicht Jared sitzen darf – denn sie ist überzeugt, dass ihr Vater wieder zu ihnen zurückkehren wird – sondern sie lehnt Jared auch als Autorität ab, wenn es darum geht, ihre Hausaufgaben zu erledigen, da er ja nicht ihr Vater und folglich ihr gegenüber auch nicht weisungsberechtigt ist. Zudem versucht sie ihn durch merkwürdiges Benehmen und absonderliche Essenswünsche (wie z. B. Räucherlachs und Kaviar mit Pommes, Ketchup, Himbeergelee und Vanillesauce) aus der Fassung zu bringen. Da Jared jedoch weder auf der Erde übliche Verhaltensweisen noch landestypische Speisen kennt und zudem über eine magische Box verfügt, mit deren Hilfe er Robbie jeden noch so absurden Essenwunsch erfüllen kann und dies auch immer wieder bereitwillig und geduldig tut, schafft er es allmählich, Robbie in seinen Bann zu ziehen. Dabei ist ihm bewusst, dass er Robbies Vater nie ersetzen können wird. Dennoch möchte er Robbie und ihre Mutter glücklich machen.
Nichtsdestotrotz bleibt Robbies Verhältnis zu Jared angespannt. Erst als dieser bei einem Ausflug ans Meer die Familie vor einem Unfall infolge eines Radverlustes bewahrt, indem er seine magischen Fähigkeiten einsetzt und das Auto sicher an den Strand fliegt, empfindet Robbie erstmals Dankbarkeit und Zuneigung Jared gegenüber. Als ein Jahr nach Jareds Ankunft abermals ein Raumschiff im Garten landet und Jared abholen möchte, ist Robbie, die die Szene heimlich beobachtet, zutiefst geschockt. In diesem Moment erst wird ihr bewusst, wie sehr Jared inzwischen Teil ihrer Familie geworden ist und wie schmerzlich sie ihn vermissen würde. So ist sie überglücklich als Jared sich weigert, an Bord des Raumschiffs zu gehen, und bietet ihm nun als Vertrauensbeweis den Stuhl ihres Vaters an.
Auch wenn das junge Leibniz-Publikum sicherlich nicht jedes Wort verstanden haben dürfte, so waren die Schüler dennoch begeistert von der Thematik des Stückes und der mitreißenden Darbietung der Schauspieler, die auf unterschiedlichste Art und Weise die Schüler in die Inszenierung eingebunden haben: so durften manche Kinder Patienten von Robbies Mutter sein, andere waren Blumen oder Vögel im Garten, wurden nass gespritzt oder waren Teil des fliegenden Autos und ermöglichten somit Robbie und ihrer Familie eine sichere Landung am Strand. Letztendlich haben alle die Geschichte gut verstanden und ganz nebenbei gelernt, wie viel man durch Mimik und Gestik zum Ausdruck bringen kann. Ein ganz herzliches Dankeschön ergeht an dieser Stelle an den Förderverein des Leibniz-Gymnasiums, der sich an den Kosten der Tickets beteiligt hat.
Tanja Walter