Sommerkonzert des Leibniz-Gymnasiums
Ein Klavier, aus dem bunte Blüten wachsen, inmitten eines blühenden Sonnenblumenfeldes unter einem von Wolken bedeckten Himmel, dessen tiefes Blau Hoffnung vermittelt. Ein passenderes Bild hätte Marie Müßigbrodt gar nicht malen können für das Plakat des Sommerkonzerts im Leibniz-Gymnasium.
Schon als das große Orchester die Bühne betritt, brandet Jubel auf: das Publikum wird mit der allseits bekannten „20th. Century Fox Fanfare“ feierlich in der bis auf den letzten Platz besetzten Aula begrüßt – fast eine Reminiszenz an die Aufführungen des Circus Chaotini, die zehn Tage vorher unter dem Motto „Film ab!“ ebenfalls nach Hollywood entführten. Die eigentliche Eröffnung bildet dann jedoch ein Menuett von Mozart. Hier setzen die Streicher klare Akzente, wohingegen im folgenden Slawischen Tanz von Dvorák die Bläsergruppe mit großer Präsenz die mehrfachen Rhythmuswechsel anführt. Beeindruckend, wie aufmerksam und hellwach das große Orchester dem Dirigat Martina Baumanns folgt und aus einem zarten Ritardando im Pianissimo plötzlich mit Pauken und Trompeten ins Fortissimo fliegt. Und auch im Soundtrack aus „Die Piraten der Karibik“ sind es die Streicher, die sanft säuseln wie ein lauer Sommerwind am Meer, während die Bläser gemeinsam mit der hochkonzentrierten Rhythmusgruppe lautstark Gefahr ankündigen und mit sehr akzentuierten Synkopen Alarm schlagen. In der Schlusspassage breiten harmonische Durklänge zunächst einen ruhigen Blütenteppich aus, der jedoch im rasanten Finale mit großer Präzision rhythmisch zerlegt wird. Wesentlich tänzerischer geht es da doch bei der Geigenmafia zu, die nach dem begeisterten Applaus, mit dem das Orchester von der Bühne verabschiedet wird, den bekannten Cancan von Jacques Offenbach mit viel Pizzicato und großer Spielfreude darbieten. Fast möchte man meinen, sie seien gemeint, wenn im Anschluss der Chor der fünften bis achten Klassen in seinem ersten Song von „Beautiful Creatures“ singt. Es ist einfach schön zu sehen, wie die jungen Musikerinnen und Musiker bei aller Konzentration ein breites Lächeln zeigen, das man, wenn man die Augen schließt, auch hören kann. Das gilt gerade auch für „Super Trouper“ von ABBA. Jaja, ein fast schon etwas abgedroschener Popsong. Aber so fröhlich und gefühlvoll, wie dieser junge Chor ihn interpretiert, geht einem doch das Herz auf – gerade recht für den folgenden Song, das großartige „Believer“ von den „Imagine Dragons“, von Baumann neu arrangiert, mit Bodypercussion. Wie es den SängerInnen gelingt, mit rhythmischer Präzision und auch in den Crescendi sauberer Intonation mehrstimmig zu singen und gleichzeitig zu klopfen, zu schnipsen, zu trommeln und zu klatschen, das ist erstaunlich ausgereift und mitreißend.
Die wohlüberlegte Gesamtregie Martina Baumanns setzt dann mit dem Divertimento für Bläserquintett von Haydn einen beruhigenden Kontrapunkt. Fagott und Horn legen hier den rhythmischen Teppich für Klarinette und zwei Querflöten, die gemeinsam sehr homogen und dynamisch für die Melodik sorgen. Und weiter geht es mit der Reduktion: Marie Müßigbrodt singt, begleitet von ihrer Schwester Lina am Violoncello und Marie Geißler am Flügel, „Stay“ von Rihanna: eine warme Stimme mit sanftem Vibrato, sicher auch im raschen Wechsel von Brust- und Kopfstimme und im Duett mit dem Cello sehr nuanciert. Im letzten Stück vor der Pause sind nur noch zwei Musikerinnen auf der Bühne, die Variationen von Fritz Kreisler wie einen freundschaftlichen Dialog auf hohem Niveau interpretieren. Während die französische Gastschülerin Nina Sauvegrain an der Violine in rasanten Melismen virtuos voraneilt, bewahrt Veronika Roth am Flügel harmonische Gelassenheit.
Das Vokalensemble führt nach der Pause zurück in die Siebziger mit einer rhythmisch nuancierten Version von „September“ der Band „Earth, Wind and Fire“, bevor ein gefühlvolles Intro von Bettina Miegler-Warmuth am Flügel ein Medley aus dem Filmmusical „LaLaLand“ einleitet. Im dritten Song kommen schließlich die fünf Jungs ganz groß raus. Bei dieser von Martina Baumann arrangierten Neuinterpretation von „Probier´s mal mit `nem Bass“ treten die Frauen freiwillig zurück in den Backgroundchor und unterstützen die Jungs bei ihren Soli. Da würden auch die „Wise Guys“ vor Neid erblassen. Am Ende bleiben nur zwei Sängerinnen auf der Bühne: Sophia Klaus und Sophia Obst, die im Duett „Young and Beautiful“ von Lana del Rey singen, gefühlvoll intoniert und unterstützt vom rhythmisch klaren Pianospiel Wazy Ritters und der ruhigen Kraft des Cellos von Lina Müßigbrodt.
Virtuose Instrumentalkunst bieten Martha Texon am Klavier und Damian Mscisz am Horn mit dem Finale Presto aus der Sonatine für Horn und Klavier von Bertold Hummel. Rhythmisch präzise und sehr dynamisch fliegen die beiden durch diese temperamentvolle Komposition – kein Wunder, dass sie den zweiten Preis beim Bundesfinale von „Jugend musiziert“ bekommen haben. Einen Preis möchte man jedoch am liebsten auch der Bigband verleihen, die nach einer längeren Umbaupause durch das souverän agierende Bühnenteam den würdigen Abschluss dieses wunderbaren Sommerkonzerts bildet. „Crazy little thing called love”, „Big Spender“ aus dem Musical „Sweet Charity“, „The bare necessities” aus dem „Dschungelbuch” und zum guten Ende das „Hawaii Five-O-Theme“ reißen das Publikum mit. Da sitzt jeder Einsatz, jeder Break und jeder Tempowechsel. Und schließlich gehorcht sogar das Publikum klatschend und schnipsend dem klaren Dirigat von Interimsbandleader Wolfgang Völkl, der – ehemaliger Schüler am Leibniz und Kulturpreisträger Altdorfs – dieses große Ensemble mit hoher Konzentration zu einem guten Groove führt.
Nach langanhaltendem Applaus und großem Dank auch für das souveräne Technikteam gesteht Martina Baumann am Ende, nun seien alle „ziemlich platt und ziemlich glücklich“. Zumindest Letzteres gilt auch für das Publikum. Trotz des bewölkten Himmels.
Bernd Mittenzwei
Fotos: Martina Busch